Wie ein Kind bestaune ich sie. Die glitzernden Fontänen im Nachthimmel. Sie fallen in langen Bögen zur Erde, glühen vorher nochmals als Sterne in den buntesten Farben auf. Zuvor haben sie Blumen in das Dunkel gemalt oder haben mich mit einem Strauß unterschiedlichster Effekte verzaubert. So schön ist ein Feuerwerk anzusehen. Da denke ich nicht darüber nach, was das alles kostet. Weder an das Geld, das buchstäblich in den Himmel geschossen wird, noch an die Folgen, die die Knallerei verursacht.
Allein in Deutschland werden jedes Jahr 120 Millionen Euro im wahrsten Sinne des Wortes in die Luft gejagt. Allein in Deutschland entsteht durch die Silvesterböller ein Prozent der Feinstaubmenge, die im gesamten Jahr zusammenkommt. Das heißt, in einer Nacht mehr als 2.000 Tonnen! Innerhalb einer Stunde werden Spitzenwerte von bis zu 900 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erreicht. Zum Vergleich: Der Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm. Und das nicht umsonst, denn die ultrafeinen Staubpartikel gelangen nicht nur tief in die Lunge, sondern sogar bis ins Blut. So begünstigen sie Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen.
Außerdem sind neben dem Schwarzpulver etliche andere Chemikalien wie Kaliumnitrat und Barium enthalten, die beim Abbrennen in die Luft geschleudert werden. Einen Teil atmen wir ein und der Rest sinkt zu Boden und gelangt so in die Umwelt. Zusätzlich verdrecken die Plastikkappen von Raketen und Reste von Böllerbatterien die Natur. Wenn es regnet, bevor der Müll weggeräumt wird, gelangen die daran haftenden Chemikalien ins Grundwasser. Und Abfall gibt es wahrhaftig in Massen! Etwa 200 Tonnen Silvestermüll wurden bisher allein in den fünf größten deutschen Städten eingesammelt.
An diesem Silvester haben wir uns das alles gespart: Geld, Feinstaub und Müll. Ganz abgesehen davon, dass die Tiere es uns danken, denn Knallerei und Licht-Blitze versetzen unsere Hausgenossen und Wildtiere in Stress und Panik. Darüber hinaus haben die Kliniken im letzten Jahr genug zu tun gehabt und waren dankbar, nicht noch Unfallopfer durch die Pyrotechnik versorgen zu müssen. Die meisten Verletzten gibt es aber bei der Produktion in Ländern wie Indien und China. In letzterem werden neun von zehn Raketen, Batterien oder Römischen Lichter weltweit hergestellt. Ca. 7000 legale Fabriken beschäftigen ungefähr eine halbe Million Menschen. Aber viele zugelassene Fabriken vergeben besonders gefährliche Produktionsaufträge an dubiose Subunternehmen, die dann wiederum Heimarbeiter beschäftigen. Das ist die andere Seite unseres Silvesterbrauches.
Vielleicht ist jetzt die Chance, unsere Bräuche zu ändern! Ich erinnere mich noch an Silvesterabende in meiner Kindheit. Kurz vor Mitternacht trafen sich die Menschen aus unserem Dorf auf dem Dorfplatz. Nachdem das neue Jahr begrüßt und mit einem Glas Sekt angestoßen war, schossen die Mitglieder der Feuerwehr ein Feuerwerk ab. Das ging so 20 Minuten lang. Also Begrenzung von Ort und Zeit und trotzdem kann es jeder genießen. Oder, dass wie z. B. in Stuttgart, als Alternative saubere und ungefährliche Licht- und Lasershows gezeigt werden.
Auch dürfen wir uns Silvesterbräuche von anderen Ländern abschauen: In Tschechien werden Äpfel quer durchgeschnitten. Bilden die Kerne einen Stern heißt das Glück für’s neue Jahr. Ergeben sie ein Kreuz, droht leider Pech. Nachdem die Dänen am Silvesterabend altes Geschirr vor der Haustüre zerschlagen haben (Scherben bringen Glück), steigen sie gegen Mitternacht auf einen Sessel und springen genau zur Mitternacht hinunter ins neue Jahr. Die Italiener schwören auf rote Unterwäsche in der Silvesternacht. Fenster und Türen werden in China kurz vor Mitternacht weit geöffnet, damit das neue Jahr hereinkommen kann. Damit auch das Glück seinen Weg findet, lassen sie ein Licht in der Neujahrsnacht an. In Spanien essen die Menschen um Mitternacht zu jedem Glockenschlag eine Weintraube, was Glück für jedes kommende Monat bringen soll. Die Schweizer hingegen setzen auf einen Klecks Speiseeis, das sie auf dem Boden werfen. Dies soll Glück und Reichtum bescheren. Na ja, erst einmal beschert es, sauber zu machen.
Hatsuhinode ist das Willkommenheißen des neuen Jahres in Japan. Bei diesem Brauch geht es darum, sich Zeit für alle ersten Male zunehmen. Egal, ob es etwas ist, was man nie zuvor getan hat, oder ob es das erste ist, was man am Tag macht. Der Fokus liegt auf Achtsamkeit und Wertschätzung.
Auch, wenn Feuerwerke wunderbar, fantastisch sind, sind das doch eigentlich die schönsten Knaller der Saison.
„Das Publikum beklatscht
ein Feuerwerk, aber keinen
Sonnenaufgang!“
Friedrich Hebbel, 18.03.1823 -13.12.1863
Deutscher Dichter